Zu Recht, meint Dr. Jens Ehrhardt, Vorstandsvorsitzender der DJE Kapital AG und Fondsmanager der GAMAX Management AG:
Man kann Frau Merkel nur den Rücken stärken, wenn sie davon ausgeht, dass Deutschland bisher schon genug an Wachstumsimpulsen aufgebracht habe.
Für den Standort Deutschland und den Aktienmarkt ist Ehrhardt durchaus positiv gestimmt.
Die aktuellen Entwicklungen in Spanien und Griechenland offenbaren ein komplexes Bild dessen, was der Euro in Sachen wirtschaftlicher Niedergang, Abwertung, Verschuldung, und demokratische Destabilisierung mit sich bringt. In Spanien bricht die Industrie stärker ein als befürchtet: Für den April meldet das Land einen Rückgang von 8,3 Prozent statt der erwarteten 6,5 Prozent. Bei der Kreditaufnahme sind Spanien die Hände gebunden, die Banken sind quasi handlungsunfähig.
Ministerpräsident Mariano Rajoy spricht sich nun erstmals offen für die Einführung von Eurobonds aus. In Deutschland wird diskutiert, ob das Land unter den ESFS schlüpfen kann – und ob es möglich ist, den spanischen Bankenrettungsfonds Frob direkt zu unterstützen. In Griechenland ist die Geschichte, die ähnlich begann wie die Spaniens, bereits einen Schritt weiter: Die Wahl am 17. Juni entscheidet auch über den Verbleib in der Eurozone.
Deutschland ist globaler Wachstumsmotor
Mit seinem Sparansatz ist Deutschland derzeit mehr und mehr Anfeindungen ausgesetzt. Neben Frankreich und Spanien, die nun unisono die Einführung von Eurobonds fordern und Angela Merkel unter Druck setzen, behauptete kürzlich der US-amerikanische Ökonom und Träger des Nobelpreises für Wirtschaft, Paul Krugman, dass Berlin Europa und sogar die USA „kaputtsparen“ wolle.
Tatsächlich zahlt Deutschland jedoch bereits seit Jahrzehnten gigantische Summen, die sich international wachstumsfördernd auswirken. Schon vor der Krise 2008 kaufte man für rund 800 Milliarden Euro amerikanische Immobilienanleihen – „Hilfsgelder“ für die USA, die heute für deutsche Anleger weitgehend verloren sind. In Europa zahlte das Land bereits vor der Einführung des Euros erhebliche zweistellige Milliarden-DM-Beträge in den Euro-Topf, die anderen europäischen Staaten einen stark wachstumsunterstützenden Impuls gaben.
Nicht zuletzt ist Deutschland mit rund 1.200 Milliarden US-Dollar jährlichen Einfuhren nach den USA und China einer der stärksten Wachstumsmotoren für die Weltwirtschaft. Die Summe aus Exporten und Importen beträgt 80 Prozent der Wirtschaftsleistung (43 Prozent Exporte, 37 Prozent Importe).
Zum Vergleich: Die Summe aus Einfuhr und Ausfuhr macht in Frankreich 50 Prozent, in Indien 43 Prozent, in China 61 Prozent, in Brasilien 33 Prozent und in den USA gerade einmal 26 Prozent aus.
Argumente, die eher für den Kurs der deutschen Regierung in Sachen Eurobonds sprechen:
Mit der Ausgabe von Eurobonds würde durch die steigenden Zinsen die deutsche Zwischenerholung vorbei sein, und die Mittelmeerländer hätten keinerlei Anreiz mehr, ihr extrem unsolides Finanzgebaren zu beenden. Nur Druck aus Deutschland kann dazu führen, dass die anderen europäischen Länder ihre unverantwortliche Wirtschaftspolitik nicht weiter fortsetzen, so Ehrhardt.
Letzte Option für die Europäische Zentralbank
An den Wertpapierbörsen hat der Pessimismus zuletzt spürbar zugenommen. Aktien dürften entsprechend von „schwachen Händen“ in „stärkere Hände“, die nicht so schnell wieder verkaufen, übergegangen sein.
Trotz der unverändert bestehenden Unsicherheiten in Europa, speziell in Sachen Griechenland und Spanien, aber auch in Hinblick auf die sinkenden Wachstumsraten in China, wären damit unter markttechnischen Gesichtspunkten die Voraussetzungen für steigende Kurse an den Aktienmärkten durchaus gegeben. Vorher könnte der Euro aber noch auf einen Kurs von rund 1,20 US-Dollar fallen und einen Ausverkauf mit höheren Umsätzen mit sich bringen, erläutert Ehrhardt.
Die Preise für Kreditversicherungen auf spanische Staatsanleihen steigen zwar ständig auf neue Höchststände, aber durch die Kreditvergabe-Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) haben sich die Abhängigkeiten zwischen Staat und Banken in Spanien und Italien noch weiter vergrößert.
Deshalb müssen hier Banken und Staaten gleichermaßen gestützt werden. Anders als Griechenland wird man diese Länder nicht fallenlassen, ist sich Ehrhardt sicher.
Zusätzlich zur günstigen Markttechnik sollten die europäischen Börsen durch die nun schon länger stattfindende Abwertung des handelsgewichteten Euros positiv beeinflusst werden. Neben der Bankenstützung von über einer Billion Euro kann die EZB durch die Kombination von Liquiditätspolitik und noch niedrigeren Zinsen den Euro schwächen und so die Euro-Konjunktur fördern sowie ihren Beitrag zum Erhalt des Euros beisteuern.
Ob dies funktioniert, weiß niemand – es ist aber die letzte Option der EZB, resümiert Ehrhardt.
Fakten sprechen für den Standort Deutschland
Bei der Suche nach sicheren Häfen zur Geldanlage kommen Anleger mangels Alternativen nicht an niedrig bewerteten Aktien mit sicherer hoher Dividendenausschüttung vorbei. Zudem steht der Immobiliensektor bei Anlegern hoch im Kurs. Die inländischen Immobilienpreise dürften keineswegs schon durch eine Blasenbildung gekennzeichnet sein.
Auch Ausländer kaufen derzeit verstärkt deutsche Immobilien, denn eine Aufwertung in Deutschland wird langfristig durch die Marktwirtschaft erzwungen werden, was wiederum anderen Europäern Währungsgewinne bringen dürfte.
Die deutsche Inlandskonjunktur wird durch steigende Tarifabschlüsse, eine im internationalen Vergleich gute Beschäftigung bei sehr guter Unternehmens-Gewinnmarge und primär durch ein extrem niedriges Zinsniveau gekennzeichnet.
Solange die Zinsen in Deutschland ähnlich niedrig bleiben wie derzeit, wird die Binnenkonjunktur positiv beeinflusst, und der Immobilienmarkt wird sich weiter günstig entwickeln, was über den Vermögenseffekt erneut die Binnenkonjunktur und den Konsum verbessern sollte, sagt Ehrhardt und ergänzt: Abgesehen von China gibt es derzeit international kaum ein Land mit so hohen realen Lohnsteigerungen wie Deutschland. Dabei muss noch berücksichtigt werden, dass in vielen Ländern die Teuerungsrate zu niedrig ausgewiesen wird, was einen niedrigeren realen Lohnzuwachs bedeutet als angegeben.